Wie es zur Stiftung kam…

Seniorenklasse des KWR und Stiftung

Man stelle sich vor, ehemalige Schüler eines altsprachlichen Gymnasiums haben vom Unterricht in Latein und Griechisch so viel profitiert, dass sie irgendwann die Lust überkommt, dieses Erlebnis der Schulzeit zu vertiefen, sich in ihrer Freizeit neben dem Beruf noch einmal mit lateinischen und griechischen Texten auseinanderzusetzen.

Undenkbar?

Mitnichten.

Dieses Ansinnen wurde im Jahr 1954 dem Direktor des Kaiser Wilhelms Gymnasiums, Dr. Erich von Drygalski, gegenüber geäußert. Ernsthaft.

Und die Reaktion der Schule? Tut uns leid, keine Zeit; wir sind alle überlastet. Wie stellen Sie sich das vor!

Mitnichten.

Im Herbst 1954 erging an die ehemaligen Schüler des KWG das Angebot eben eines solchen „Unterrichts“ – und wurde in die Tat umgesetzt. Ab dato trafen sich im Win- terhalbjahr vierzehntägig Ärzte, Anwälte, Ingenieure, Firmenchefs, Lehrer etc. zu einem solchen Unterricht im Lehrerzimmer der Schule (deren Neubau im Jahr 1953 fertiggestellt worden war). Den Unterricht übernahmen zunächst der Direktor und auch andere altsprachliche Kollegen.

Bei diesem Unterricht ging es nicht vordergründig um das Übersetzen antiker Texte, sondern vor allem auch darum, sie im Lichte eigenen Erlebens und eigenen beruflichen Hintergrunds zu interpretieren, sie für sich „bedeutsam“ zu machen.

Nach der Pensionierung Erich von Drygalskis im Jahr 1967 war das Unternehmen „Seniorenklasse“ ein so fester Bestandteil der schulischen Arbeit, dass sie von dem Nachfolger, Dr. Horst Holtermann, fortgeführt wurde. Und sie wurde um ein Element erweitert: die Seniorenklasse ging auf Reisen: 1983 nach Griechenland.

Nach dem Tod Dr. Holtermanns im Jahr 1985 übernahm der neue Direktor im Frühjahr 1986 auch die Verantwortung für die Seniorenklasse. Und hat sie bis heute inne. In diesen vielen Jahren hat die Seniorenklasse immer Anteil genommen am Schicksal der Schule, insbesondere an der Zusammenführung der beiden altsprachlichen Gymnasien in Hannover, dem Ratsgymnasium und dem Kaiser Wilhelms Gymnasium. So nimmt es nicht wunder, dass sich nach kurzer Zeit auch Ehemalige des Ratsgymnasiums in der Klasse einfanden.

Wir haben in den zurückliegenden Jahren viel miteinander gelesen und diskutiert, sind jedes zweite Jahr miteinander verreist (Sizilien, Westtürkei, griechische Inseln, Süditalien, südliche und Zentraltürkei, Land der Etrusker, Jordanien und Syrien, Ägypten, Nordgriechenland) und haben manches Fest miteinander gefeiert.

1994 – zum 40jährigen Jubiläum der Seniorenklasse – gab es ein Benefizkonzert für die Sanierung der seit 1954 nicht renovierten Aula. Eingespielt wurden 40.000,– DM, die aufgestockt wurden durch eine Sammlung bei Eltern und Ehemaligen, die weitere 60.000,– DM einbrachte. Die Stadt hat den Betrag auf insgesamt 150.000,– DM erhöht. 1996 wurde die sanierte Aula in einem festlichen Akt ihrer Bestimmung wieder übergeben.

2004 feierte die Seniorenklasse ihr 50jähriges Jubiläum. Und hatte die Idee, eine Schulstiftung ins Leben zu rufen, deren Ziel es sein soll, zur Erhaltung des einzig ver- bliebenen altsprachlichen Gymnasiums in Hannover und Umgebung beizutragen, die Arbeit der Schule, insbesondere auch in ihrem humanistischen Schwerpunkt zu fördern, aber auch insgesamt der Schule eine zunehmende finanzielle Stütze zu geben.

Diese Idee verbindet sich mit dem Alumni-Gedanken: eine Schule, die sich intensiv um ihre Ehemaligen kümmert, wird auch immer Bereitschaft bei ihren Alumni finden, ihre alte Schule zu unterstützen. Es ist dies ein Gedanke, der zunehmend auch in Deutschland Verbreitung findet. Und möglicherweise Schule Schritt für Schritt ein wenig unabhängiger macht.

Uwe Rademacher

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